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LEXIKON: Der hauptberuflich Selbstständige aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht

Seit 2011 gelten neue Grundsätze zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung Selbstständiger – und die können durchaus unerwartete Folgen haben. Grundsätzlich gilt, dass eine hauptberuflich selbstständig ausgeübte Tätigkeit den Ausschluss von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bedeutet. Das klingt zwar zunächst positiv, damit soll aber vorrangig die Konstruktion einer kostengünstigeren „künstlichen“ Pflichtversicherung mittels niedriger Einkünfte vermieden werden, denn für die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter gilt das Einkommen des vergangenen Jahres bzw. die Schätzung für das Folgejahr. Auch von der freie Mitversicherung von Angehörigen in der GKV profitieren Selbstständige nicht, was für Alleinverdiener mit Familie durchaus finanziell zu Buche schlägt.

Bislang fehlte es für die zweifelsfreien Beurteilung an einer eindeutigen gesetzlichen Definition und letztlich deshalb auch an einer verbindlichen Rechtsprechung. Der GKV-Spitzenverband hat sich des Themas nun angenommen und eine Entscheidungshilfe erarbeitet, die den Begriff der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit vereinheitlichend festlegt.

Hauptberuflich wird demnach eine selbstständige Erwerbstätigkeit immer dann ausgeübt, wenn

  • sie von wirtschaftlich übergeordneter Bedeutung ist – unabhängig vom Einkommen -,
  • der zeitliche Aufwand alle eventuell zusätzlich ausgeübten Tätigkeiten zusammen (!) deutlich übersteigt oder
  • die selbstständige Tätigkeit mehr als halbtags (20 Stunden/Woche) umfasst und somit Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit und Haupteinnahmequelle darstellt, oder
  • mindestens ein Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt wird. Ist dieses Kriterium erfüllt, ist es vorrang zu werten.

 

Wie immer gilt im Zweifel die Prüfung des Einzelfalls. Dafür wird das gesamte Erwerbsbild mittels glaubhafter und lückenloser vom Selbstständigen zu erbringender Nachweise aus allen Tätigkeiten gegeneinander abgewogen und beurteilt. Die neuen Regelungen gelten für alle Neubeurteilungen ab 1.1.2011. Besteht die selbstständige Tätigkeit bereits, ist bei der nächsten Prüfung des Versicherungsverhältnisses – in der Regel jährlich oder bei einer Änderung – nach den neuen Grundsätzen zu verfahren. Eine Beurteilung ist auch auf Wunsch des Versicherten möglich. Es kann sich lohnen…

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